Die kleine, aber viele Liebhaber von scheinbarer Authentizität besitzende Untergattung des semidokumentarischen Handkamerahorrorkinos, hat mit dem spanischen Film [Rec] einen neuen Liebling gewonnen, soviel ist nach diversen Festivalerfolgen schon klar.
Die unruhige Handkamera wirkt im modernen Terrorkino natürlich am besten, weswegen sie auch oft in den Mittelpunkt gesetzt wird, wenn die Filmfiguren einer Extremsituation ausgesetzt werden, wie der mysteriösen Verlorenheit in „Blair Witch Project“ oder dem Riesenmonster in „Cloverfield“. Während jedoch BWP die Isolierung und den Verfall der Charaktere über einen tagelangen Zeitraum mitdokumentierte und „Cloverfield“ dem Thema Monsterkino mit einer neuen Perspektive (die des unbeteiligten Teilnehmers neben dem Geschehen) neue Seiten abgewann, konzentrieren sich Paco Plaza und der iberische Gruselregiestar Jaume Balaguero in ihrem Werk auf Komprimation.
Ein Kamerateam, daß eine Nacht auf einer Feuerwehrwache filmt, beteiligt sich an einem Einsatz in einem beliebigen Mehrparteienwohnhaus, in dem offenbar eine Krankheit mehrere Bewohner in tollwütige, reißende Monstren verwandelt, während draußen die Behörden das Gebäude sicherheitshalber komplett isolieren. Ohne ausreichende Informationen und ohne ordnende Hand gerät die Lage relativ schnell außer Kontrolle.
Die Story analysiert oder debattiert nicht wesentlich über Rangfolgen oder die Sinnhaftigkeit von Kontrolle oder Autorität in einer Extremsituation, sondern läßt den Hund relativ schnell von der Leine, so daß der Zuschauer spätestens nach einer halben Stunde (die letzte Ruhephase vor dem großen Ausbruch) wie die Insassen einfach nur noch wie eine Flipperkugel von den Ereignissen mitgerissen werden. Die Situation verschärft sich, man reagiert anstatt zu agieren und das Chaos beginnt mittels zahlreicher begangener Fehler auszuarten.
Natürlich ist es diskutabel, ob dennoch alles Dargestellte wirklich so natürlich rüberkommt, denn in mindestens zwei Situationen verhalten sich die Insassen mehr als unvorsichtig und überschreiten die Grenze zum Dämlichen, lassen dem Publikum aber keine Zeit, sich darüber aufzuregen. Gleichzeitig fehlt jede Form der Außensicht, da es sich ja um ein fiktives Band handelt, daß, möglicherweise, später in dem Gebäude gefunden wurde.
So gibt es auch nur rudimentär eine Dramaturgie des Entkommens, das Individuum ist nicht mehr Herr seiner Entscheidungen und der Weg aller Überlebenden führt stets in die entgegengesetzte Richtung des Geplanten.
Maximal eine finale Erklärung für den Ausbruch der „Krankheit“ liefert „[REC] in den finalen zehn Minuten, aber das ist mehr ein netter Dienst am Zuschauer, der wenigstens abschließend einen gewissen Anker braucht.
Plaza und Balaguero inszenieren das sehr dicht, schnell und geschickt, halten das Kameragewirbel einigermaßen im Zaum und garnieren den Film mit einigen gorigen Details, ohne sie maximal in den Fokus der Kamera halten zu müssen. Die Schreie der Infizierten, ihre monströsen Attacken wirken wie eine extreme Variante des postmodernen Zombiefilms und lediglich rohe Gewalt in höchster Lebensgefahr bietet da einen Ansatzpunkt für das Überleben.
Dazu gibt es (natürlich) keinen Score, keine Untermalung und der Schnitt konzentriert sich geschickt auf das Wesentliche, wobei einige Sequenzen auch mit abgestellter Kamera rein akustisch zu verfolgen sind.
Woran es mangelt, sind Identifikationsfiguren, doch auch das scheint beabsichtigt, wenn es auch für das Publikum nicht leicht ist, der etwas nervigen Sensationsjournalistin und ihrem Genehmigungs-Rechtfertigungs-Gerede die ganze Zeit zu folgen.
Mit gerade mal 70,5 Minuten Nettospielzeit wird also die Möglichkeit der Intensität vollends ausgepowert, doch der Rausch setzt lediglich Adrenalin frei, erfindet inhaltlich nichts neu.
Dennoch für den Horrorafficionado ein mehr als angenehmer Zeitvertreib, der optisch und erzählerisch Abwechslung vom Genre-Einerlei bietet. Zum Zusammenzucken sehr gut geeignet. (7,5/10)